Liturgica

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• Applaudieren im Gottesdienst •
• Liturgisches von einem evangelischen Theologen •
• Chronica •

Orietur Occidens

Priesteramt und Berufung von Frauen

Die Entscheidung des Lehramts

Die Glaubenskongregation hat 1976 die Erklärung Inter insigniores 1 herausgegeben, die von Papst Paul VI. bestätigt wurde; sie stellt fest, daß «die Kirche, die sich darauf ausrichtet, dem Vorbild des Herrn treu zu bleiben, sich keine Vollmacht zuschreibt, Frauen zur Priesterweihe zuzulassen» (Proœm.). Sie begründet das ausführlich: sie führt die Wahl nur von Männern zu Aposteln durch den Herrn selbst an (II.), das diesem Vorbild entsprechende Vorgehen der Apostel (III.) – auch wir sind anderswo darauf eingegangen2 –, die völlige Übereinstimmung hierin zwischen der lateinischen Kirche und allen Kirchen des Ostens (I.; IV.), die Stellungnahmen von Kirchenvätern und die der Scholastiker (I.). Dabei weist sie darauf hin, daß die letzteren dabei oft Argumente heranzogen, «die heute Gelehrte schwerlich akzeptieren, ja sogar zu Recht ablehnen»; doch die mangelnde Überzeugungskraft dieser Argumente ist nicht von Belang:
Entscheidend ist nicht, welche Motive der Entscheidung des Herrn zugeschrieben werden, sondern daß Seine Entscheidung erkannt und anerkannt wird.
Die Erklärung weist darauf hin, daß diese Beschränkung des Weihesakraments auf Männer nicht von den Gegebenheiten der Zeit bestimmt war, daß bei den Griechen es Götteropfer gab, «die von Frauen dargebracht zu werden pflegten» (III.) – die römischen zölibatären (!) Vestalinnen hätten noch hinzugefügt werden können –, daß es «in den ersten Jahrhunderten» innerhalb der Christenheit «häretische, vor allem gnostische Sekten gab, die sich darangemacht haben, den priesterlichen Dienst Frauen zu übertragen» (I.) – die Kirchenväter aber haben diesem Vorgehen entschieden widersprochen. Dementsprechend schrieb Papst Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Brief Mulieris Dignitatem 3 von 1988, daß der Herr seine Entscheidung, das Priesteramt Männern vorzubehalten, «aus freiem Ermessen und eigenem Recht» getroffen hat, er sich nicht «den geltenden Sitten und Traditionen, die vom Gesetz jener Zeit bestimmt waren,» angepaßt hat (26).
Nicht erwähnt wird in der Erklärung das Priestertum des Alten Testaments, das ebenfalls Männern vorbehalten war.
In seinem apostolischen Brief De sacerdotali ordinatione 4 von 1994 hat Papst Johannes Paul II. das bekräftigt, festgestellt, daß «die Kirche keinerlei Fähigkeit hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden», daß das «die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft», und er verpflichtet alle Gläubigen «definitiv» auf diese Festsetzung (4.).

1 Hier nach dem lateinischen Text übersetzt; die offizielle deutsche Übersetzung: Erklärung zur Frage der Zulassung der Frauen zum Priesteramt.
2 W.H.W.: Die Argumentation für die «Frauenordination». E&E 16 (2011), S. 25-40.
3 Die offizielle deutsche Übersetzung: Apostolisches Schreiben Mulieris Dignitatem von Papst Johannes Paul II. über die Würde und Berufung der Frau anläßlich des Marianischen Jahres.
4 Die offizielle deutsche Übersetzung: Apostolisches Schreiben Ordinatio Sacerdotalis von Papst Johannes Paul II. an die Bischöfe der katholischen Kirche über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe.

«Berufung zur Diakonin und Priesterin»?

»Weil Gott es so will« – unter diesem Titel hat eine Benediktinerin, Sr. Philippa Rath, ein Buch herausgegeben, in dem 150 Frauen von ihrer vorgeblichen «Berufung zur Diakonin und Priesterin» erzählen (Freiburg 2021), ein Buch, das, wie ich hören mußte, selbst in einer Predigt kritiklos angeführt wurde.
Sind Frauen zum Diakonat, zum Priesteramt berufen, wenn sie eine Berufung dazu empfinden?
«Theologisch ist eine Berufung echt, wenn sie subjektiv empfunden und objektiv angenommen wird. Dennoch gibt es offenbar derzeit die Berufung vieler Frauen, dafür zu kämpfen, dass sich da etwas ändert. ...
Wer entscheidet darüber, ob eine Berufung echt ist?
Zur Zeit [!] objektiv die Kirche. Allerdings: Wenn ... in der Kirche eine relativ kleine Sorte Menschen entscheidet: nur Männer, nur Männer mit einer bestimmten Ausbildung, nur Männer in einem bestimmten Alter ...»
Das sagte in einem Interview die Vorsitzende der Deutschen Ordensobernkonferenz, die Franziskanerin Sr. Katharina Kluitmann. Das legt den Kern der Frage offen: Wenn hier Männer, und seien es auch Bischöfe, nach eigenem Gutdünken zu entscheiden hätten, so könnte man Sr. Katharina und Sr. Philippa Recht geben. Wird aber die Entscheidung vorgegeben von der vom Herrn gegebenen und von den Aposteln überlieferten Ordnung der Kirche, ist Papst und Bischöfen nur die Aufgabe anvertraut, diese Ordnung zu wahren, so ist es haltlos, wenn Frauen ohne Rücksicht auf diese apostolischen Ordnung sich eine Berufung zuschreiben und von der Kirche erwarten, deshalb ihre Lehre zu ändern.
Das Bemerkenswerte ist, welche Vollmacht Sr. Katharina diesen Männern zuschreibt, von denen sie so geringschätzig spricht; eine Vollmacht, die selber sich zuzuschreiben diese Männer schwerlich wagen würden.
«Anstatt eines Vorworts» bietet das Buch zunächst «Texte heiliger Frauen». Diese Heiligen sind Teresa von Avila, Thérèse von Lisieux und Edith Stein. Allerdings: Teresa von Avila1 beklagt, daß die Stimme von Frauen in der Öffentlichkeit nicht gehört wird – woran sie selber etwas geändert hat –, vom Priesteramt spricht sie nicht; Thérèse von Lisieux2 sprach davon, daß sie gerne Priester geworden wäre, ohne zu behaupten, solches wäre möglich gewesen; Edith Stein3 hielt (1931 – damals hatte sie noch nicht die theologische Bildung ihrer Münsteraner Zeit) die Priesterweihe von Frauen für möglich, ohne sich für berufen zu halten.
Sr. Katharina Kluitmann sagte in diesem Interview weiter: «Ich merke aber zunehmend, dass es Elemente des Priesterseins gibt, die ich sehr gern leben würde. Ich persönlich möchte zum Beispiel sehr gern als Beichtmutter arbeiten, dagegen reizt es mich überhaupt nicht, der Eucharistiefeier vorzustehen. Predigen wiederum finde ich ganz klasse.» Priesteramt à la carte, so könnte man solch eine Vorstellung nennen. «Wenn ich mir persönlich gut vorstellen kann, Beichte zu hören und das Sakrament der Versöhnung zu spenden, dann bin ich relativ nah da dran, wenn ich psychotherapeutisch oder als geistliche Begleiterin gearbeitet habe», hatte sie zuvor gesagt. Eine schräge Vorstellung von Psychotherapie und von Beichte, denn Psychotherapie ist etwas ganz anderes als Beichtehören. Der Beichtvater muß, die Beichtmutter müßte, wenn es sie gäbe, auch über Absolution und deren Verweigerung entscheiden, gelegentlich den Beichtling zu einschneidenden Änderungen seiner Lebensführung verpflichten; das kann ein Psychotherapeut nicht.
«Wenn mich Gott um Rat gefragt hätte, als Er die Welt erschuf, hätte ich Ihm einige nützliche Ratschläge gegeben», soll Alfons X., der Weise, gesagt haben4.
Hätte der Herr bei der Einsetzung des Weihesakraments uns um Rat gefragt ...

1 Weg der Vollkommenheit 4, 1.
2 Bericht der jüngeren Schwester Céline, in: Bd. 1 der Heilig- und Seligsprechungsakte von Thérèse von Lisieux.
3 Vortrag vor der Katholischen Akademikervereinigung in Aachen am 30. Oktober 1931, in: Edith Stein, Gesamtausgabe, 13, S. 77.
4 «Si Dios me hubiera consultado cuando creó el universo / el día de la creación, hubiera recebido buenos consejos / yo le habría dado algunos consejos útiles» – mit diesen Worten (in etlichen Varianten überliefert) soll der gelehrte König seine Verwirrung über die Kompliziertheit der Planetenbahnen (im ptolemäischen System) karikiert haben; es mag aber auch sein, daß sie ihm zugeschrieben wurden, um ihm zu diffamieren.

Berufene Frauen

Die Kirche hat immer – auch wenn es in ihr immer wieder auch andere Stimmen gab – Frauen hoch geachtet, wie auch Inter insigniores (Proœm.), Mulieris Dignitatem (1.; 27.) und De sacerdotali ordinatione (3.) es darstellen; sie hat ihnen verantwortliche Ämter anvertraut, Ämter, die auch mit Macht über Männer, selbst über Priester verbunden waren, wie wir an anderer Stelle dargelegt haben1.
Eine besondere Berufung aber scheint seit dem Mittelalter nicht von der Kirche, sondern vom Herrn selbst Frauen vorbehalten worden zu sein.
Es gab die großen Kirchenväter von Clemens Romanus bis zur Johannes Damascenus, die die von den Aposteln überlieferte Offenbarung getreu weitergegeben haben, die Kirchenlehrer wie Thomas von Aquin, die deren Lehren geordnet und in der Sprache der griechischen Philosophie ausgedrückt haben, die Prediger wie Clemens August v. Galen, die mit größten Mut den Mächtigen der Zeit die Forderungen des Evangeliums entgegengehalten haben. Doch sie alle sind gleichsam auf dem ordentlichen Weg dazu geführt worden, über ihre Frömmigkeit, ihr geistliches Leben und ihr Studium.
Der andere, der außerordentliche Weg ist der der Propheten: unerwartet berufen, treten sie in einer Weise auf, sprechen sie in einer Weise, wie es nach menschlichen Maßstäben nie von ihnen wäre zu erwarten gewesen. Solche Berufungen, solche prophetischen Reden sind im Alten Testament in Fülle zu finden.
Im Alten Testament sind die meisten Propheten, sind alle „Schriftpropheten“ Männer. Im Neuen Testament haben Frauen mehr Anteil an ihrer Zahl, von Hanna (Luc. 2, 36) bis zu den vier Töchtern des Diakons und Evangelisten Philippus (Apg. 21, 9).
In der späteren Kirchengeschichte aber erscheinen besonders Frauen als Prophetinnen, Birgit von Schweden, Katharina von Siena, Jeanne d’Arc. Sie wurden unerwartet berufen, gaben Päpsten und Königen Weisungen, ohne selber Würden und Ämter anzustreben; sie zeigten theologische Klarheit und sogar militärische Fähigkeit, wie niemand sie von ihnen erwartet hätte. Sie ernteten Widerstand, Jeanne d’Arc wurde gar zur Märtyrerin, aber sie fanden auch Gehör, ihr Wirken hat großen Segen gebracht.

1Die Argumentation für die «Frauenordination»; Vorüberlegung: Die Frau in der Kirche, S. 26-28.

W.H.W

• Warum es keine katholischen Priesterinnen gibt • (Abhandlung)
• Warum es keine katholischen Priesterinnen gibt • (Anmerkungen)

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Orietur Occidens

Wie lange dauert die Weihnachtszeit?

Wenn es auch der Novus Ordo nicht mehr weiß: die Weihnachtszeit dauert bis Mariæ Lichtmeß, denn sie entspricht der vierzigtägigen Osterzeit (dem Tempus Paschatis, das bis Christi Himmelfahrt dauert, während die österliche Zeit, das Tempus paschale, auch Pfingsten umfaßt).
Das wurde wohl niemals offiziell festgeschrieben, man wußte es einfach – und es hat Spuren hinterlassen:
Während sonst an Tagen das Jahr hindurch, auf die kein Fest fiel, dem Ordinarium Innozenz’ III. zufolge als Konventmesse montags die Messe für die Verstorbenen gefeiert wurde, freitags die Votivmesse vom heiligen Kreuz, samstags die von der seligen Jungfrau, fielen diese Messen bis zu Mariæ Lichtmeß weg (fol. 3ra). Im tridentinischen Missale wird auch in dieser Zeit samstags eine Votivmesse von der seligen Jungfrau gefeiert, aber eine andere als das Jahr hindurch: die weihnachtliche Messe Vultum tuum statt Salve, sancta Parens.
Dem Ordinarium Innozenz’ III. zufolge wechselt die zweite und dritte Oration der Messe an Mariæ Lichtmeß (fol. 14ra.b). Das ist im tridentinischen Missale (Rubr. gen. IX, 2. 3. 12.) ebenso; als zweite Oration wird im Missale so wie in jenem Ordinarium als zweite Oration Deus, qui salutis für die Zeit bis Lichtmeß angegeben, A cunctis für die Zeit danach.
Als später die marianischen Antiphonen nach der Komplet eingeführt wurden (und nach der weitgehenden Beseitigung der Suffragien durch Pius X. auch auf andere Offizien ausgedehnt wurden), wechselten sie ebenso: die adventliche und weihnachtliche Antiphon Alma Redemptoris bis Mariæ Lichtmeß, danach dann Ave Regina.
Für den allgemein anerkannten Beginn des Kirchenjahres mit dem I. Advent gibt es keine solchen liturgischen Belege.

The ordinal of the papal court from Innocent III to Boniface VIII and related documents. Stephan J.P. van Dijk, completed by J.H. Walker, Fribourg 1975.

W.H.W

Eine Anmerkung: Rechtspositivismus und Kirche

Im bürgerlichen Bereich herrscht heute der Rechtspositivismus: das staatlich gesetzte Recht entscheidet alles. Es entscheidet über die Rechtschreibung, entscheidet über die Uhrzeit (die Osteuropäische Zeit heißt dann eben „Mitteleuropäische Sommerzeit“).
Und in der säkularen Gesellschaft hat dieses Recht begonnen, das Ethos zu ersetzen: Ein Mann läßt sich scheiden, um eine jüngere Frau zu heiraten – «Das ist doch erlaubt». Ein Paar läßt ein Kind abtreiben – «Das ist doch erlaubt».
In der Kirche ist es anders. Nach gegenwärtigem Kirchenrecht ist man nur an zwei Tagen im Jahr verpflichtet zu fasten – aber kein frommer Katholik wird das Fasten in der Fastenzeit auf diese beiden Tage beschränken. Nach gegenwärtigem Kirchenrecht braucht man am Freitag nur ein gänzlich unbestimmtes „Freitagsopfer“ abzuleisten – aber kein frommer Katholik wird sich von der Fleischabstinenz am Freitag durch solch ein beliebiges „Freitagsopfer“ entbunden sehen.
Die Weihnachtszeit ist in keiner Rechtssetzung begründet, sondern hat sich herausgebildet durch den Glaubenssinn des Volkes, des Pleroma der Kirche. In den Rubriken der liturgischen Ordnung hat sie sich erst später niederzuschlagen begonnen.
Es ist eines, wie lang die wirkliche Weihnachtszeit ist, ein anderes, wie lange sie der gegenwärtigen offiziellen Regelung nach liturgisch begangen wird.
Die Krippe in der Kirche oder in der Wohnung aber ist kein Teil der offiziellen Liturgie.

W.H.W

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Orietur Occidens

Applaudieren im Gottesdienst

Es war nicht während des Gottesdienstes, nicht einmal in der Kirche selbst, als der Glöckner einer russisch-orthodoxen Kirche, der nach der Liturgie die Glocken des Carillons schlug, mir, als ich gerne Beifall gespendet hätte, mit eindrücklicher Geste zeigte, daß Applaus nicht am Platze war, daß sein Spiel Gottesdienst war und keinen menschlichen Beifall suchte.
• Der Glöckner von St. Prokop •
Daß die Sänger, die in der russisch-orthodoxen Kirche dem Gottesdienst musikalisch tragen, mehrstimmig und in höchster Qualität, mehr als zweieinhalb Stunden lang in der Nachtwache am Samstagabend und vor Festtagen, mehr als zwei Stunden am nächsten Morgen, keinen menschlichen Beifall wünschen, ist selbstverständlich.
• Gottesdienst um des Gottesdienstes willen •
In der Christvesper einer evangelischen Kirche konnte ich es erleben, daß niemand daran dachte, dem großartigen Ensemble, das der Vesper ihre musikalische Gestalt gab, Beifall zu spenden, der es war ein Gottesdienst. Als ich das geschrieben hatte, bestätigte mich der Leiter des Ensembles: «.. Es ist ein Gottesdienst. In unserer säkularen Welt mitten in Beliebigkeit, Banalität, Lärm und Ignoranz gibt es eine Wahrheit, eine Kraft und eine Antwort. Ich glaube und erlebe, daß ich sie in der Musik finde und zwar in Gottes Haus.»
• Alter Ritus – einmal anders •
Ein Liturgischer Singkreis, der Arbeitskreis einer Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde ist, der sich mit geistlichem Verständnis und großer Kunst dem gregorianischen Gesang widmet, schreibt in sein Programmblatt: «Wegen des gottesdienstlichen Charakters bitten wir, von Beifall abzusehen.»
• Geistlicher Gesang: Gottesdienst, nicht Konzert •
Gesang auf hohem musikalischem Niveau, der selbstverständlich dem Herrn gilt und keinen menschlichen Beifall erwartet, erlebe ich in katholischen Kirchen noch dort, wo die Schola oder der Chor Sonntag für Sonntag oder gar Tag für Tag gregorianischen Choral oder gar klassische Polyphonie singt. Aber das ist in Pfarrkirchen zumindest sehr selten geworden.
So kann ich nur wünschen, daß, wenn dort einmal im Gottesdienst ein Chor singt oder ein Ensemble auftritt, alle wissen, daß auch der Gesang, die Musik Gottesdienst ist – denn sonst wäre er, wäre sie in der Liturgie fehl am Platz. So kann ich nur wünschen, daß jeder weiß, daß es hier nicht menschlichen Beifall geht.
Es ist aber auch am Ensemble, das zu zeigen, indem es, wenn es vor dem Altar steht, sich zum Altar wendet, nicht zum Volk, indem, wenn es hinter dem Altar steht, niemand dem Tabernakel den Rücken zukehrt.
Und an der Gemeinde ist es natürlich nicht nur, Applaus unterlassen zu, sondern es geht um die Participatio actuosa, darum, daß nicht etwa jemand sich zum Sanctus, zur Wandlung also, setzt. Der überlieferte Ordo bietet mehr Gelegenheit zur Participatio: Kreuzzeichen am Ende von Gloria und Credo und zum Benedictus, sich an die Brust schlagen beim Agnus Dei.
Eine Illustration des geistesgeschichtlichen Untergrunds:
Kirchengesang im Hollywoodfilm
1992 erregte auch hierzulande der Film „Sister Act – Eine himmlische Karriere“ Aufsehen, in dem ein Hollywoodstar eine Sängerin aus der Halbwelt spielte, die gezwungen war, unterzutauchen, und in einem Kloster Unterschlupf fand.
So die Rahmenhandlung, die natürlich im weiteren Verlauf noch für Verwicklungen sorgte. Die eigentliche Handlung aber war eine andere: als die Dame gerade im Kloster gelandet war, erlebte sie eine Messe mit, in der der Priester ankündigte, daß die Nonnen des Konvents nun ein Lied singen werden, das sie eingeübt hätten. Es war die englische Version von „Sei gegrüßt, o Königin“, und es klang schrecklich, selbst der Priester verdrehte die Augen. Danach griff die Sängerin ein: es fing damit an, daß sie die Nonnen nach Stimmen geordnet aufstellte; es endete damit, daß der Gesang des Konvents berühmt wurde. Schließlich kam sogar der Papst, um ihnen zuhören; und natürlich wurde noch einmal ein wenig kitschige Spannung erzeugt dadurch, daß die Oberin zu diesem Anlaß zur alten Gesangsweise zurückkehren wollte. Und natürlich geschah das nicht, und natürlich wurde es ein großer Erfolg, mit dem die Nonnen rauschenden Beifall einholten.
Natürlich aber war dieser Erfolg ebenso halbseiden wie die Sängerin. Es war am Ende eine reine Show: die Nonnen singen, den Blick fest aufs Publikum gerichtet, in einer Weise, die sich ausschließlich ans Publikum richtet, verstehen es, es mit den Mitteln einer Show-Veranstaltung zu animieren.
Schon die Ankündigung des Priesters zu Beginn, daß die Nonnen nun ein Lied singen werden, für die Gemeinde offenkundig (denn der Herr bedürfte keiner Ankündigung), hatte gezeigt, daß der Film nichts mit der wirklichen Kirche zu tun hat. Doch am Anfang war noch eindeutig eine Messe gezeigt worden; der Übergang zur Show verlief unmerklich.
Natürlich darf man an einen Hollywoodfilm keine höheren Ansprüche stellen; was aber zu denken gibt, ist, daß auch unter Christen dieser Film eine Begeisterung auslöste, die zeigt, daß auch unter ihnen für manche die Unterscheidung zwischen Gottesdienst und Show nicht mehr selbstverständlich ist.

W.H.W

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Orietur Occidens

Liturgisches von einem evangelischen Theologen

„Via vitæ“ – unter diesem Titel hat Wilhelm Stählin seine „Lebenserinnerungen“ veröffentlicht. Er war evangelischer Pastor und Theologieprofessor, Mitbegründer der Michaelsbruderschaft, einer achtenswerten evangelischen Vereinigung, die noch heute besteht. Der nationalsozialistischen Bewegung stand er von Anfang an scharf ablehnend gegenüber; doch trat er dem Regime nicht mit offenen Widerstand, sondern diplomatisch entgegen.
Sein Lebenswerk war vor allem der geistlichen und besonders auch der liturgischen Erneuerung im evangelischen Raum gewidmet. Wenn er auch sein Leben lang ein wenig jugendbewegt blieb und wenn er auch sich nachdrücklich dagegen verwahrte, katholisch, gar „römisch katholisch“ oder auch nur hochkirchlich zu sein, so bestand sein Erneuerungswerk doch zu einem großen Teil im Rückgriff auf katholische Traditionen.
In seinen Lebenserinnerungen steht vieles, was zitierenswert ist, und sich ganz häufig auf die Liturgie bezieht. Daraus nun einige Stellen.

Via vitæ. Lebenserinnerungen von Wilhelm Stählin. Kassel 1968.

(Evangelische) „Kirche und Volk“

S. 276
.. was sich auf der preußischen Generalsynode im September 1933 in Berlin ereignete, an der ich wieder als Vertreter unserer Fakultät teilzunehmen hatte.
... Bei dem Eröffnungsgottesdienst (5. September, 10 Uhr) in der Dreifaltigkeitskirche waren nur die Superintendenten und die Pfarrer der Gruppe „Evangelium und Kirche“ im Talar erschienen, die Pfarrer aus der Gruppe Deutsche Christen trugen S. A.-Uniform. Die Predigt hielt Generalsuperintendent D. Eger, Magdeburg, über Luk. 9, 59 f.; eine der seltsamsten Predigten, die ich je gehört habe: Die einzige Not der Kirche bestehe darin, daß Volk und Kirche in verschiedenen Zeiten leben, die Kirche in der Vergangenheit, das Volk in der neuen Zeit. Wem es kein Opfer ist, die alte Zeit aufzugeben, der ist nicht geschickt zur Verkündigung des Reiches Gottes; wer nicht bereit ist, dieses Opfer zu bringen, der ist noch weniger geschickt zum Reich Gottes, denn er lebt nicht in der Gegenwart.“
Diesen Sätzen liegt ein Topos totalitärer Ideologien zugrunde: wer sich ihnen widersetzt, wolle die Zeit aufhalten oder zurückdrehen. Die nebenstehende Karikatur aus der Zeitschrift „Der SA-Mann“ (1938/1) zeigt, wie ein Jude, ein Priester und ein Kapitalist sich mühen, die Uhr zurückzudrehen, die Uhr, die das NS-System anzeigt – über ihre Mühen lacht der SA-Mann nur. Und gut ein Jahrzehnt später dichtete Bertolt Brecht: «Zwei böse Greise, listig und leise, möchten gern das Rad der Zeit nochmals nach rückwärts drehn» (Spottlied, 1949).
Bemerkenswert dabei ist, wie weit sich solche Denkweise in die evangelische Christenheit hineingefressen hat: Dieser Generalsuperintendent, D. Johannes Eger, gehörte einer anderen Quelle zufolge der Bekennenden Kirche an.

Michael Lehmann: Die Gefährdung des Schlesischen und des Tholuckschen Konviktes (1933-1938), S. 31. In: Studien- und Lebensgemeinschaft unter dem Evangelium. Beiträge zur Geschichte und zu den Perspektiven des Evangelischen Konviktes in den Franckeschen Stiftungen zu Halle (Saale). Herausgegeben von Friedrich de Boor und Michael Lehmann, Halle 1999, S. 22-36.

Die sieben Weihen

Der Autor berichtet von einem Gespräch mit Dr. Erwin Rousselle, dem Leiter des China-Institutes in Frankfurt, darüber, wie dem geistlichen Mangel sogar bei Theologiestudenten zu begegnen sei.
S. 325
Nach einem langen Besuch wollten wir uns eben verabschieden, da sagte er zu unserer größten Überraschung: Im übrigen ist es mir erstaunlich, daß sie mich in dieser Sache um Rat fragen, denn sie haben ja im Abendland, ohne nach Asien zu schauen, ein großes, in Jahrhunderten entstandenes bewährtes Schema des geistlichen Weges, das sind die sieben „Weihen“ der römisch-katholischen Kirche. – Ich gestehe, daß wie alle bis zu dieser Stunde so gut wie keine Ahnung hatten, jedenfalls diese sieben Ordines der römisch-katholischen Kirchen niemals unter dem Gesichtspunkt betrachtet hatten, daß daraus eine Hilfe für die geistliche Führung junger Männer gewonnen werden könnte. Er meinte, daß die römisch-katholische Kirche zwar die tiefen Erkenntnisse, die in diesem siebenstufigen Pfad liegen, in einer ganz äußerlichen Weise konserviert, sie aber durch ihre Rechtsordnung mehr oder weniger verfälscht habe; aber es lohne sich, diese Dinge zu studieren. Daraufhin beschafften wir uns ein Pontificale Romanum, ein Buch, das wir bis dahin nie in der Hand gehabt und von dessen Existenz wir kaum etwas gewußt hatten, und studierten mit großem Eifer das, was in den Weihehandlungen für diese sieben Stufen des geistlichen Amtes zu finden war. (...) Hier erschlossen sich uns Erkenntnisse, von denen wir bisher kaum berührt worden waren. Vieles, was wir in späteren Jahren in meditativen Übungen, aber auch ohne eine solche Form, in Anregungen, seelsorgerlichen Ratschlägen usw. weitergegeben haben, hatte in jenem Gespräch zwischen Weihnachten und Neujahr 1932/23 seine Wurzeln.
Trotz der antikatholischen Invektive haben wir diesen Text unzensiert zitiert, denn er zeigt Einklang mit dem, was das Konzil von Trient erklärt hat (Sessio XXIII: Doctrina de sacramento Ordinis, Cap. 2. [de septem Ordinibus]): es bestehe Einmütigkeit darüber, daß es mehrere und verschiedenartige Ordines, Weihen gebe, damit man durch die niederen zu den höheren aufsteigen könne, damit das Priesteramt würdiger und mit größerer Verehrung ausgeübt werden könne.
Papst Paul VI. aber schaffte 1973 mit dem Motu Proprio «Ministeria quaedam» die vier niederen Weihen und den (von alters her in fast allen Kirchen bekannten) Subdiakonat ab; an ihre Stelle traten nur zwei «Beauftragungen», die ausdrücklich keine Weihen sind.

„Rompilger“

S. 339
Einer unserer Brüder, Schütte, damals in Dortmund-Aplerbeck, war von seinem Küster bei der Gestapo denunziert worden, weil dieser durch Türspalt gesehen hatte, daß Schütte bei der bruderschaftlichen Feier der Messe, wie wir das immer taten, das weiße Gewand trug; und Schütte war „deswegen“ (!) verhaftet worden.
Der Autor konnte sich «Zugang zu dem betreffenden Beamten in der Dortmunder Geheimen Staatspolizei» verschaffen.
Von diesem Beamten bekam der Autor zu hören:
S. 340
„Ja, Sie tragen doch in der Kirche weiße Kleider. Das ist katholisch. Sie sind also Rompilger. Sie wissen, daß wir das nicht dulden können!“
Dem Autor gelang es damals, den Beamten zu besänftigen; sein Mitbruder war «nach wenigen Tagen» wieder frei.

Das Wesen der Liturgie

S. 444
Die gottesdienstliche Erneuerung ist die sichtbarste Gestalt dieses Umwandlungsprozesses; dabei ist die Sorge, daß die Liturgie wirkliches Gebet, d.h. ein Gott zugewendeter Dienst ist, wichtiger als alle einzelnen Formfragen.
S. 465
Die Liturgie ist im Unterschied von dem persönlichen Gebet des einzelnen Christen immer das Gebet der ganzen Kirche in ihrer ökumenischen Weite und in ihrem großen geschichtlichen Zusammenhang; das liturgische Gebet kann und will darum keineswegs in allen Einzelheiten der Ausdruck persönlicher Frömmigkeit sein; liturgisch beten heißt, sich mit hineinnehmen lassen in die Einheit der Kirche aller Völker, aller Konfessionen und aller Zeiten.
Das Wort „ökumenisch“ ist hier berechtigt: die erneuerte lutherische Liturgie, wie der Autor sie anstrebt, will sich wirklich am Erbe der alten universellen – und besonders der römischen – Kirche ausrichten.

Die Psalmtexte der Vulgata und die der Lutherbibel

Von den Gesprächen der Michelsbruderschaft mit der lutherischen liturgischen Konferenz Deutschlands (in den späten vierziger Jahren) schreibt der Autor:
S. 528 f.
Nicht auszuräumen waren auch unsere Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die Auswahl und die Sprachgestalt des Eingangspsalms (Introitus). Mein Freund Goltzen und ich, die wir zunächst die ganze Arbeit an den Introiten gemacht hatten, waren der Überzeugung, daß die im Missale Romanum gebrauchten lateinischen Psalmtexte in vielen Fällen nicht nur schöner sind, sondern auch dem Urtext besser entsprechen als der aus der Lutherbibel übernommene Wortlaut. Es schien uns z.B. kein Zweifel zu sein, daß der erste Vers des 25. Psalms „Zu Dir, Herr, hebe ich auf meine Seele“ (ad te levavi animam meam) der starken Bildhaftigkeit des hebräischen Originals mehr entspricht als Luthers abschwächende Fassung: „Nach Dir, Herr, verlanget mich“. Es waren unzählige Fälle, in denen es sich ähnlich verhielt. Aber gegen die von den strengen Lutheranern verfochtene Theorie, daß der liturgische Text nicht von der Lutherbibel abweichen dürfe, war nicht anzukommen, obwohl Luther selbst diesem Prinzip durchaus zuwidergehandelt hat.
Ad te levavi ist der Introitus des I. Adventsonntags. Gemeint ist hier der 25. Psalm der Lutherbibel, also der 24. der Vulgata.

Zum Stufengebet

Von diesen Gesprächen schreibt der Autor des weiteren:
S. 529
Ein weiteres Beispiel, das einer gewissen Komik nicht entbehrte, betrifft das schöne Gebet, mit dem das Confiteor, das Gebet der Bereitung vor Beginn der eigentlichen Messe, abschließt (nach dem Anfang des lateinischen Textes „Aufer a nobis“ genannt). Da dieses Gebet ursprünglich im Vorraum des Gotteshauses gebetet wurde, heißt es: Nimm von uns, Herr, unsere Sünde und verleihe, daß wir mit gereinigtem Herzen eintreten in Dein Heiligtum! Da im allgemeinen in der Tat an dieser Stelle nicht der feierliche Einzug ins Gotteshaus geschehen kann, entschied man sich für die von jeder Bildhaftigkeit gereinigte Fassung: „daß wir mit lauterem Herzen diesen Gottesdienst begehen und dich preisen“. — Als ob nicht im ganzen Gottesdienst immer von neuem der Eingang in einen neuen „Raum“ des Heiligen vollzogen würde, und als ob nicht der Wortlaut der zugrundeliegenden Stelle (Hebr. 10, 19) gerade das räumliche Verständnis jenes anderen „Raumes“ ausschlösse!
Durch den Novus Ordo wurde das Confiteor verlegt, das „Aufer a nobis“ ging dabei verloren.

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