In alter Zeit bereiteten sich die Täuflinge und die Büßer durch ein vierzigtägiges Fasten auf die Taufe, auf die Lossprechung vor. Noch um die Wende des vierten Jahrhunderts ist im Armenischen Lektionar zu sehen, das es besonders um diese beiden Gruppen geht.
Wir haben das Glück, über die Jerusalemer Liturgie dieser Zeit gute Quellen zu haben, vor allem dieses Armenische Lektionar von Jerusalem und den Reisebericht der Egeria (oder Aetheria oder Silvia, je nach Forschungsstand — wirklich hieß sie wohl Eucheria). Diese Quellen zeigen die Entwicklung: Als auch für die übrigen Christen das Fasten gebräuchlich wurde, mußte man die Fastenzeit verlängern, um die vierzig Tage vollzumachen; denn nach dem Beschluß des Konzils von Nicæa (325) darf der Christ sonntags nicht fasten, ebensowenig wie in der Osterzeit. Die Kirche von Jerusalem dehnte dieses Fastenverbot, in Reverenz zum Alten Bund, auf den Samstag aus.
Die Fastenzeit der Täuflinge und Büßer dauerte zunächst vom sechsten Sonntag vor Ostern bis zum Gründonnerstag; das Fasten der beiden Kartage wurde davon abgehoben. Schon Eucheria berichtet, daß am Karsamstag gefastet wurde, obwohl es ein Samstag ist.
Diese sechs Sonntage sind noch heute die eigentlichen Fastensonntage in Ost und West. Mailand hat es beim Beginn der Fastenzeit am ersten Fastensonntag belassen, Rom hat die vierzig Tage vollgemacht, indem es die vier Tage vorm ersten Fastensonntag hinzunimmt, also mit dem Aschermittwoch beginnt, und die beiden Kartage mitrechnet. Allerdings: die Rekonziliation der Büßer (die am Aschermittwoch «ausgetrieben» werden) setzt das römische Pontificale weiterhin schon auf den Gründonnerstag. Die Kirche des Ostens (die der Chaldäer oder Assyrer) rechnet die Kartage nicht ein, beginnt also schon am Montag zuvor zu fasten. Und die Kirchen, die der Disziplin von Jerusalem folgen — vor allem die orthodoxe Kirche —, die samstags nicht fasten, zählen die Kartage mit und beginnen noch eine Woche eher zu fasten (haben also 41 Fasttage, wie schon Eucheria bemerkt). Allerdings ist das Fasten in dieser «Butterwoche» noch weniger streng.
Bei Eucheria war das Fasten noch ganz einfach: man aß nur am Abend. Dann aber kam, nach dem Vorbild des Freitags, die Abstinenz hinzu: man ist kein Fleisch, weil der Herr im Fleisch gelitten hat. Diese Fleischabstinenz gilt auch für die Sonntage.
Im Osten wurden die Fastenregeln bald gelockert, die Abstinenzregeln aber verschärft, ausgedehnt auf Fisch und Milchprodukte. Im Westen blieb das Fasten strenger — nur eine richtige Mahlzeit am Tage! —, aber die Abstinenz ist milder. Jedoch Fleisch und Eier blieben verboten.
Man braucht ja nicht zu schlachten in der Fastenzeit; aber die Hühner legen weiterhin Eier. Die kann man für eine gewisse Zeit konservieren, das heißt zumindest: hart kochen. Aber nach der Fastenzeit, zu Ostern, ist dann das große Eieressen angesagt.