Päpste, die zurücktraten

Zum ersten Mal ist ein Papst in der Märtyrerzeit zurückgetreten, deshalb, weil er in der Verbannung sein Amt nicht mehr ausüben konnte. Verschiedene Gründe haben später Päpste zum Rücktritt bewegt; ein häufiger Grund war äußerer Druck, wenn ein Papst abgesetzt werden sollte – solch eine „Absetzung“ ist ja nur gültig, wenn der Papst einwilligt, also zurücktritt. Doch ist diese Einwilligung und somit dieser Rücktritt oft unsicher. Andererseits wurden vor allem Päpste abgesetzt, deren Rechtmäßigkeit zweifelhaft war. Daher ist des öfteren beides unsicher: die Rechtmäßigkeit des Pontifikats und die der Absetzung.

Pontian: 21.VII.230 – 28.IX.235
Verbannt unter Kaiser Maximinus Thrax (welcher nach seinem Tod 238 der Damnatio memoriae unterlag) nach Sardinien, dankte der Papst ab.
Marcellinus: 30.VI.296 – 25.X.304
Der Papst, so wurde behauptet, habe unter der diokletianischen Verfolgung die heiligen Bücher ausgeliefert und den Götzen geopfert. Doch das scheint eine donatistische Verleumdung gewesen zu sein. Andererseits gibt es die Überlieferung, das Konzil von Sinuessa habe deshalb von ihm Rechenschaft gefordert; er sei daraufhin reuig zurückgetreten. Doch sei er nun gleich wieder zum Papst gewählt worden.
Später wurde er als Heiliger verehrt.
Silverius: 1./8.I.536 – 11.XI.537
Verbannt unter Kaiser Justinian auf eine der Pontinischen Inseln (Palmarola? Ponza?), dankte der Papst ab. Er starb am 2.XII.537. Sein Nachfolger Vigilius war schon am 29.III.537 gewählt worden.
Johannes XII.: 16.XII.955 – 6.XI.963?/ – 14.V.964? (Todestag)
Der Papst wurde, weil unwürdig, 963 von Kaiser Otto d.Gr. abgesetzt. Wenn er eingewilligt hat, so war Leo VIII. (4.XII.963? – 1.III.965) sein Nachfolger; andernfalls war dieser Gegenpapst.
Benedikt V.: 22.V.964 – 23.VI.964?/ – 4.VII.966? (Todestag)
Nach dem Tod Johannes’ XII. gewählt, war er nur, falls dieser in die Absetzung nicht eingewilligt hat, rechtmäßiger Papst; andernfalls war er Gegenpapst. In dieser Annahme wurde er noch 964 von Kaiser Otto d.Gr. abgesetzt, zum Diakon degradiert und nach Hamburg verbannt. Wenn er denn Papst war, so war, wenn er in die Absetzung eingewilligt hat, sein Nachfolger Leo VIII. (23.VI.964? – 1.III.965); wenn er nicht eingewilligt hat, war es erst Johannes XIII. (1.X.965? –/ VII.966? – 6.IX.972).
Johannes XVIII.: I.1004 – VI.1009?
Ohnmächtig angesichts der Lage der Kirche, zog sich der Papst ins Kloster S. Paolo fuori le mura zurück; er trat wahrscheinlich zurück. Er starb am 18.VII.1009. Sein Nachfolger Sergius IV. wurde erst am 31.VII.1009 gewählt.
Benedikt IX.: XI.1032 – I.1045?/ – 1.V.1045?
Aus Rom vertrieben, verkaufte der Papst die Papstwürde zuerst an Silvester III., dann, nachdem dieser ebenfalls vertrieben worden war, an Gregor VI. Die Gültigkeit des Rücktritts zugunsten von Silvesters III. ist zweifelhaft, die des Rücktritts zugunsten Gregors VI. dagegen anzunehmen. Später war Benedikt IX. als Gegenpapst tätig, zuletzt 1048 unter Damasus II. Er starb 1055.
Silvester III.: 20.I.1045 – 10.II.1045?
Die Rechtmäßigkeit dieses Pontifikats ist wenig wahrscheinlich. Vertrieben wurde er schon nach drei Wochen, er kehrte zurück in sein vorheriges Bistum.
Gregor VI.: 5.V.1045 – 20.XII.1046
Der persönlich untadelige Papst (der erste aus dem jüdischen Haus Pierleoni) wurde wegen seiner simonistischen Wahl in der Synode von Sutri unter Kaiser Heinrich III. zusammen mit seinen beiden Vorgängern abgesetzt, dürfte eingewilligt haben. Der Papst starb wohl XI.1047 in Köln.
Viktor IV.: II./IV.1138 – 29.V.1138
Am 14.II.1130 kam es zu einem doppelten Konklave mit doppelter Papstwahl: Innozenz II. und Anaklet II. (der zweite Papst aus dem Haus Pierleoni, der «Papst aus dem Ghetto») wurden gewählt. Als rechtmäßiger Papst, bestätigt vom Lateranense II, gilt Innozenz II.; doch gibt es bis heute die entgegengesetzte Ansicht (vertreten etwa durch August Franzen und Remigius Bäumer). Anaklet II. starb am 25.I.1138, zu seinem Nachfolger wurde Viktor IV. gewählt, der somit, falls Anaklet II. rechtmäßiger Papst war, ebenfalls dieses Amt rechtmäßig innehatte. Er trat am 29.V.1138 zugunsten Innozenz’ II. zurück.
Coelestin V.: 5.VII. – 13.XII.1294
Ohnmächtig angesichts der damaligen politischen Lage des Papsttums, trat der Papst zurück. Er wollte in seine Einsiedelei zurückkehren, wurde jedoch von seinem Nachfolger Bonifatius VIII. interniert. Er starb am 19.V.1296. Von Dante wurde er («colui che fece per viltate il gran rifiuto») in den Warteschlangen vorm Höllentor geortet (Inferno, Canto III), von Clemens V. am 5.V.1313 heiliggesprochen.
Gregor XII.: 30.XI.1406 – 4.VII.1415
Der Papst trat zurück, um das Große Abendländische Schisma zu beenden (es gab neben ihm den avignonensischen Gegenpapst Benedikt XIII. und den vom (illegitimen) Konzil von Pisa gewählten Johannes XXIII.). Er starb am 18.X.1417, noch vor der Wahl seines Nachfolgers am 11.XI.1417 (welcher folglich den Namen Martin V. annahm).
Benedikt XVI.: 19.IV.2005 – 28.II.2013
Bedrückt von der Last des Alters trat der Papst zurück.
Einen Konditionalrücktritt, der dankenswerterweise nicht in Kraft zu treten brauchte, vollzog unter der deutschen Besatzung Roms (1943-44)
Pius XII.: 2.III.1939 – 9.X.1958
Für den Fall seiner Gefangennahme durch die Besatzungsmacht erklärte er seinen Rücktritt: «Se mi rapiscono, porteranno via il cardinale Pacelli, non il papa – Wenn sie mich entführen, werden sie den Kardinal Pacelli wegschleppen, nicht den Papst.»
Robertus: Cavalleria Imperiale, lunedì 11 febbraio 2013

Litteratur:
August Franzen & Remigius Bäumer: Papstgeschichte. Freiburg 1974
Hans Kühner: Neues Papstlexikon. Frankfurt 1956

Orietur Occidens